Anchorage – Dawson City (27.07.2013 – 05.08.2013)

Anchorage – Palmer (83 km) – Hicks Creek (97 km) – Glenn Highway MP 125 (46 km) – Glennallen (100 km) – Slana (115 km) – Tok (110 km) – Mt. Fairplay (80 km) – Walker Fork (58 km) – Top of the World Highway km 92 (58 km) – Dawson City (96 km)

Nach über zwei Monaten ohne grossartiges Radeln ging es am Samstag endlich wieder los. Ich packte meine Sachen und war gegen Mittag abfahrbereit – bis auf den fehlenden Schlafsack. Diesen hatte ich während der Heizphase gegen die Wanzen im Zimmer gelassen, danach deponierten sie ihn bei der Reception. Als ich ihn abholen wollte, war aber kein Schlafsack mehr da. Offensichtlich hatte den jemand mit oder ohne Absicht mitgenommen. Schlussendlich schickten sie einen Mitarbeiter mit mir zu einem Outdoorgeschäft, um einen neuen zu kaufen. So kam ich halt erst um ca. 14.00 los. Die Strecke nach Palmer war zum einfahren relativ einfach und flach. Die 1 1/2 Liter Wasser waren dann aber doch etwas wenig und ich war froh, in Palmer bei Taco Bell einen All-you-can-drink-Becher kaufen zu können – das hat sich für diesen Laden bestimmt nicht gelohnt 😉 Danach ging’s auf den Campingplatz und nochmals zurück zum Supermarkt. Dabei bemerkte ich, dass mein hinterer Reifen einen ziemlich grossen Schaden an der Seite hatte – und das am ersten Tag, den ich ohne Ersatzreifen unterwegs war…

Am nächsten Morgen fuhr ich erst mal zum lokalen Bikeshop, nur um festzustellen, dass der am Sonntag und Montag geschlossen hatte. Da ich am Montag meinen Riverrafting-Ausflug gebucht hatte, war warten natürlich keine Variante. Deshalb versuchte ich, per Autostopp nach Anchorage zurückzukommen. Schliesslich nahmen mich Chris und Peaches mit, die aber nicht bis Anchorage sondern nur ca. 10 km nach hause wollten. Wir fuhren erst zum Autoreifenshop, wo sie mir aber auch nicht weiterhelfen konnten. Schliesslich nahmen sie mich mit zu ihrem Haus und ich konnten einen Reifen von Chris’ Rad auf meines wechseln. Bevor ich abfuhr brachte mir Chris noch einen Tacosalat zur Stärkung, danach machte ich mich auf den Rückweg zum Camping. Durch die Reifensache kam ich heute erst um 14.30 los, musste aber noch den Sammelpunkt zum Rafting mit Gratiszeltplatz erreichen. Ich meinte, er sei ca. bei Milepost 100, während Chris im Internet die Angabe MP 76 fand. Ich kam Anfangs noch ziemlich gut voran, nur die Glasscherbe mit der damit verbundenen Schlauchreparatur hätte nicht sein müssen. Am Abend erreichte ich dann MP 76 und im Restaurant sagte man mir, die Hütte des Raftingveranstalters Nova sei gleich auf der anderen Strassenseite. Das stimmte auch – der Zettel an der Türe verwies mich aber an den neuen Startort bei MP 96: nur noch 20 Minuten… Nach dieser tollen Nachricht musste ich mich erst mal mit einem Fanta stärken. Zu allem (späten) Übel ging der Highway nun in ziemlich hügeliges Gelände über. So brauchte ich schliesslich für die knapp 32 km 2 1/2 Stunden! Der Zeltplatz am Fluss war aber toll. Noch besser hätte er mir wohl gefallen, wenn ich ihn vor 22.30 erreicht hätte.

Am Morgen hätte ich beinahe verschlafen. Es reichte grad noch für’s Frühstück und um das Zelt zusammenzupacken. Danach fuhren wir zum Caribou Creek, wo wir nach der Einschulung in unsere Boote stiegen. Mit unseren Guides Reed und Travis erlebten wir anfangs eine ruhige Fahrt – bis wir dann in den breiten und wilden Matanuska River einbogen. Das Highlight war der Rodeoritt auf der Nase des Bootes =D Zurück am Lagerplatz ass ich noch meinen Zmittag und machte mich wieder auf den Weg. Ich fand am Abend sichtgeschützt von der Strasse einen Platz für mein Zelt und kochte mir sogar noch ein paar Hörnli.

Weiter ging’s in ewigem Auf und Ab. Trotzdem kam ich gut voran und kurz vor meinem Tagesziel Glennallen musste ich mein Velo für ein paar km auf einen Pickup verladen. Durch Baustellen wird der Verkehr einspurig von einem Führungsfahrzeug geleitet, mit dessen Tempo ich nicht hätte mithalten können. So war ich noch etwas früher im ersten Dorf nach drei Tagen. Ich gönnte mir einen Znacht im Restaurant und ging für die nächsten zwei Tage nochmals einkaufen. Danach fuhr ich noch ein paar km bis zum Campingplatz. Dort wimmelte es nur so von Mücken. Während ich mich schnell mit einer zusätzlichen Schicht Repellent einsprühte, hörte ich ein “da zellt aber nöd”. Ich fuhr zu den Kindern und da kam auch schon Vater Urs aus dem Camper. Er war vor Jahren als Reiseradler in Neuseeland unterwegs. Die Familie lud mich spontan ein, in ihrem Camper zu übernachten.

Natürlich gab es sowohl am Abend als auch am Morgen viel zu erzählen, sodass ich schliesslich erst um 11.00 weiterfuhr. Trotzdem wollte ich unbedingt Slana erreichen, damit ich am anderen Tag in Tok den 1. August “feiern” konnte. An diesem Tag tat ich mich aber schwer und nachts entschloss ich mich, ein Zimmer in der einzigen Lodge zu nehmen. Das war zwar toll, für mich als Einzelperson aber ziemlich teuer. Zudem fühlte ich mich dadurch auch nicht besser, sodass ich mich entschloss, in Zukunft doch lieber im Zelt zu bleiben, wenn keine günstigere Unterkunft verfügbar ist – vor allem bei dem schönen und trockenen Wetter. Am 1. August hatte ich mich wieder erholt. Ich erreichte Tok bereits am frühen Abend und quartierte mich gleich auf dem ersten Campingplatz ein. Ich schrieb den drei Mexikanern, die ich in Anchorage getroffen hatte, wo sie seien und machte mich dann auf in den Supermarkt und ins Restaurant. Zum Dessert gab’s dann ein paar Lindor-Kugeln 😉

Die Mexikaner schrieben mir, sie seien ebenfalls in Tok und würden am 2. August nach Dawson City weiterfahren. Ich entschied mich also, meinen geplanten Ruhetag auszulassen, ging für die nächsten vier Tage einkaufen und fuhr schliesslich kurz nach Mittag im Gegenwind los. Nach ca. 20 km bog ich dann auf den Taylor Highway ab, wo der Wind dann nicht mehr zu spüren war, der mich aber gleich mal mit einer knackigen Steigung begrüsste. So ging es den ganzen Tag weiter bergauf und -ab, immer mit ca. 6-7% Steigung bzw. Gefälle. Das war ziemlich zermürbend und ich brauchte mein ganzes Fluchrepertoire, das immerhin jetzt auch durch ein bisschen Spanisch erweitert ist. Und… Mensch, Highway bedeutet doch nicht, dass man den blöden Way so high wie nur irgend möglich über alle sich bietenden Hügel führen muss! Ich überlegte mir schon, in Dawson City einen Flug zu buchen, um zu schauen, ob vielleicht noch einer ausgelassen wurde. Zu allem Elend ging mir auch noch langsam das Wasser aus, sodass ich wohl oder übel zum nächsten Zeltplatz (oder zumindest zum nächsten Bach) gelangen musste. Schliesslich fragte mich eine Camper-Fahrerin, ob ich den nächsten Campingplatz wüsste. Sie konnte mich zwar nicht nach Chicken mitnehmen, half mir aber mit ein paar Litern Wasser aus – und obendrein erhielt ich noch ein Fläschchen alkoholfreien Piña Colada. Kurz darauf erreichte ich einen Aussichtspunkt, wo ich sichtgeschützt mein Zelt hinstellen konnte. Sogar eine Toilette gab’s – wirklich ein nettes Plätzchen 😉

Am nächsten Tag hatte ich viele interessante Begegnungen. Bereits beim Frühstück plauderte ich mit einem steirischen Paar, das mit dem Wohnmobil auf den Parkplatz gefahren war. Als nächster erreichte ein kanadischer Radler aus Inuvik am Eismeer kommend mein Lager. Bereits in den Vortagen hatte mich viele Leute vor dem extrem schlechten Schotterstück zwischen Chicken und Dawson City gewarnt. Dieser Radler meinte sogar, es sei die schlechteste Strasse gewesen, die er je gefahren sei. Ich kämpfte mich dann nach Chicken, wo der Schotter beginnen sollte. Chicken sollte eigentlich nach dem einheimischen Vogel Ptarmigan benannt werden. Dummerweise wussten die Gründer nicht, wie man das schreibt bzw. sie konnten sich nicht auf die Schreibweise einigen. So wählten sie die einfachtste Lösung… Das Kaff, in dem nur sechs Personen das ganze Jahr über wohnen, ist ein Relikt aus der Goldgräberzeit und touristisch entsprechend eingerichtet. Ich hatte dafür zunächst aber mal kein Musikgehör und bestellte – nomen est omen – eine Protion Pouletflügeli. Dabei traf ich Dominik und Jasmin aus St. Gallen, die auf einer mehrmonatigen Reise Alaska/Kanada, Hawaii, Japan und Südostasien bereisen. Eine Strasse weiter traf ich auf Angela und Claudio (Aargau und Emmen/LU). Sie sind seit April und noch so lange, wie Lust und Geld reichen, mit ihrem Pickup-Camper unterwegs. Ich überlegte mir, die Nacht über in Chicken zu bleiben. Dass die Schlittenhundetouren in diesem Jahr nicht angeboten wurden, war letztlich ausschlaggebend, dass ich doch noch bis zum nächsten Zeltplatz ca. 27 km weiterfuhr. Ich wagte mich mit etwas bangen Gefühlen auf die angeblich schlechte Schotterstrasse und wurde positiv überrascht. Es ging sogar mal ein paar kurze km eben dahin – da hat wohl jemand bei der Hügelsuche versagt! Die Strasse führte malerisch an einem Bach entlang. Hier passte der Schotter wesentlich besser als eine Asphaltstrasse. Später kamen nochmals zwei ordentliche Anstiege – gut, dass ich die am nächsten Tag nicht mehr hochradeln musste.

Nach einer erholsamen Nacht mit entsprechendem Ausschlafen packte ich mein Zeugs wieder zusammen. Da auf den 150 km bis Dawson City kein Trinkwasser mehr verfügbar sein würde, füllte ich zum ersten Mal auch den 10l-Wassersack und startete mit total ca. 15,5l Wasser. Weiter stieg die Strasse dem Bach entlang auf gutem Schotter gemächlich an. Beim Mittagessen kamen mir drei andere Radler entgegen. Aurelie und Leiko aus Genf waren auf dem Schlussspurt ihrer einjährigen Radreise von Kolumbien nach Alaska. Begleitet wurden sie von Steven, der seinerseits bereits seit 3 1/2 Jahren unterwegs ist und von Europa entlang der Ostküste Afrikas und der Panamericana ebenfalls in Alaska angekommen war. Er möchte nun weiter nach Prudhoe Bay am Eismeer, worauf für ihn dann noch Australien und Asien warten – oder zwei weitere Jahre auf dem Fahrrad. Ich war nun immerhin schon seit gut 50 km auf dem Schotter unterwegs und fragte die drei, ob denn der schlechte Teil überhaupt noch komme. Sie lachten nur und meinten, die anderen seien bestimmt noch nie in Südamerika gewesen. Weiter ging’s zum nördlichsten Grenzübergang zwischen Kanada und den USA. Und wirklich: Sogar in der Baustelle war die Strasse besser als der Ruta 40-Schotter im argentinischen Seenland oder der Abfahrt von der Cuesta de las Raices im chilenischen Seenland – von jener vom Paso Mamuil Malal ganz zu schweigen. Kurz nach der Einreise nach Kanada musste ich wegen einem jungen Karibu anhalten, das sich auf die Strasse verirrt hatte. Etwas später kamen mir eine Bayerin und ihr kanadischer Freund entgegen. Sein Velo war etwa gleich bepackt wie meins – nur dass er auch noch einen Anhänger nachzog. Auf meine Frage meinte er nur, das seien halt seine Instrumente. Die zwei sind eben erst gestartet und möchten bis Feuerland reisen. Dabei nehmen sie sich viel Zeit. Während sie also vor Ladenschluss noch über die Grenze wollten, suchte ich mir einen Zeltplatz. Beim Aufstellen rannte etwas weiter ein weiteres Karibu über die Wiese – immerhin besser als Bären 😉

Der letzte Tag meiner Anchorage-Dawson City-Etappe begrüsste mich mit leichtem Regen. Ich packte missmutig meine zum Glück wasserdichten Taschen und radelte bei 9°C los. Bis am Nachmittag blieb es frisch. Das vom kanadischen Grenzbeamten angekündigte “nur noch bergab” wurde von total über 1’000 Höhenmetern an Gegenanstiegen unterbrochen. Schliesslich erreichte ich die letzte Kuppe und nun konnte ich mich wirklich auf 15 km steile Abfahrt freuen. Irgendwann empfahl ein Schild, langsam ans Bremsen zu denken, um vor der Fähre noch anhalten zu können. Ich warf einen Blick auf das Hostel, welches mir etwas komisch vorkam. Also setzte ich mit der Fähre über und erkundigte mich im Visitors Center nach Übernachtungsmöglichkeiten. Bei Juliette’s Manor quartierte ich mich schliesslich für drei Nächte ein. Am Abend schloss ich die Etappe mit einem Znacht bei Klondikes Kate ab.

Wie schon in Südpatagonien sind die Entfernungen und Dimensionen hier einfach riesig, wobei man in Alaska und Kanada aufgrund der Hügel und des Waldes weniger weit sieht. Die Leute sind ausgeprochen nett und hilfsbereit, auch wenn sie manchmal in einem Anflug von Übereifer ein paar Angaben verdrehen oder einfach etwas sagen, von dem sie glauben, dass es stimmt. Die Gegend ist sehr dünn besiedelt und so sind sich die Leute wohl gewohnt, einander gegenseitig zu helfen. Zudem lässt das natürlich viel Platz für die Natur, um in Ruhe zu bestehen und zu gedeihen. Für mich war natürlich besonders toll, dass ich anscheinend einen Jahrhundertsommer erwischt habe. Anstatt des üblichen häufigen Regens mit Temperaturen zwischen 15 und 20°C schien meistens die Sonne bei +/- 25°C. So lässt sich die Gegend natürlicher angenehmer beobachten.