Für die ersten zwei Nächte nahm ich mir ein Hotelzimmer. Den “freien” Tag nutzte ich zu einem Bummel in der Innenstadt und zum Besuch des historischen Museums. Abends prüfte ich dann meine Castellano-Kenntnisse und rief bei Verwandten von Freunden an.
Percy (Tete) wollte mich gleich abholen kommen. Da ich aber schon für die kommende Nacht bezahlt hatte, verabredeten wir uns für den kommenden Morgen. Nach dem Fruehstück kam er also ins Hotel und ich zügelte in ihr Haus in Cayma. Ob es sich dabei um einen (Vor-)Stadtteil oder eine eigene Gemeinde handelt, habe ich nicht so genau verstanden. Neben Vater Percy wohnten auch die Grosseltern im grossen Haus – nicht zu vergessen der etwas verrückte Hund. Ich konnte mein Zimmer im ersten Stock beziehen und vom Balkon einen tollen Ausblick auf den Vulkane Misti und Picchu Picchu bewundern. In den Gipfeln des Picchu Picchu (Quechua: Berg Berg) kann man mit ein bisschen Fantasie eine liegende Person erkennen, weshalb man auch vom schlafenden Inka spricht.
Am Nachmittag packte ich mein e-Book und einen Zvieri ein und machte mich auf die Suche nach einem Park, um zu lesen. Nach kurzem Spaziergang sah ich in einer Sportanlage einige Leute auf dem Betonplatz fussballspielen. Ich setzte mich auf die “Tribüne” und genoss das muntere Spielchen. Später forderten sie mich auf, auch ein bisschen mitzuspielen und so rannte auch ich nach einigen Monaten wieder mal einem Ball hinterher. Von ihrem Slang verstand ich zwar einiges nicht, bemerkte aber, dass zwischen dem vielen Cholo hier und Cholo da neu auch der Gringo seinen Platz im unablässigen Geschnatter fand. Schliesslich wurde es dunkel und sie sagten mir, sie seien jeden Mittwochnachmittag hier. Also bis nächste Woche =D
Bis auf weiteres sollte das meine einzige Aktivität sein. Ich fühlte mich immer noch schlapp und verbrachte meine Tage hauptsächlich mit lesen oder einem kleinen Bummel zum Supermarkt. Die Gastfreundschaft war wirklich ueberwältigend. Die Grossmutter kochte immer für alle. Dass sich mein Appetit bei Morgen- Mittag- und Abendessen – alles zwischen 10.00 (weil ich nicht früher essen mochte) und ca. 17.00 in Grenzen hielt, verstanden sie anfangs nicht 😉 Obwohl ich immer wieder vor den Tücken der einheimischen Kost gewarnt wurde, hatte ich eher das Gefühl, die Mahlzeiten mit einer dünnen aber schmackhaften Suppe mit Einlagen und einem zweiten Gang mit Reis oder Teigwaren wirkten sich gut auf meinen Magen aus.
Natürlich durften auch einige Spezialitäten nicht fehlen. Als erstes versuchte ich ein Cuy. Das bestand aus ziemlich wenig Fleisch und ziemlich viel Haut und im Nachhinein fand ich, dass Meerschweinchen doch besser zum streicheln geeignet sind als zum essen. Den nächsten Versuch startete ich bei einem Alpakasteak, das dann auch wirklich lecker war. Am positivsten überrascht hat mich schliesslich das Anticucho. Zuerst ass ich es beim Fest, das sie zum Vatertag veranstalteten und war nicht wirklich begeistert von der Ankündigung, es handle sich um Rinderherz. Naja, es sah eigentlich gar nicht so übel aus und bereits der erste Biss überzeugte mich sosehr, dass ich es danach noch einige Male im Restaurant als Spiessli bestellte – zu letzt als Abschlussmahlzeit am Flughafen in Lima.
Auch ich versuchte mich ab und zu in der Küche. Zum Start fand ich im Supermarkt einen Kuchen, Schlagrahm, Nesquik und ein paar Bananen, mit denen ich eine Torte basteln wollte. Nun hatte es in diesem Nesquik aber irgendwelches Cerealienzeugs, durch welches der geschlagene Rahm wieder flüssig wurde. Also machte ich mich auf die Suche nach einem Ersatz. Im Minimarkt fragte ich nach Schlagrahm für eine Torte, den er aber leider nicht im Angebot hatte. Ich kaufte also erst mal Schoggipudding. Und dann sah ich doch tatsächlich Pulver. Voller Freude meinte er, das sei, um Schlagrahm für Patisserie zu machen!?! Besser als nichts war es, allerdings auch nicht optimal. Später fand ich in einem anderen Supermarkt ein Bisquit und auch was ovoähnliches, mit dem der Schlagrahm nicht mehr flüssig wurde. Schliesslich wollten sie unbedingt “lernen”, wie ich das gemacht hatte. Bereits einige Tage vor meiner Abreise kaufte ich die Zutaten wieder ein, fand aber nur Rahm in der Dose. Aber nachdem sie mir mehrmals versichert hatten, dass der auch zum schlagen sei, griff ich dann doch zu. Die Zeit verging schnell und so musste der letzte Tag – ein Samstagabend noch für die Produktion herhalten. Dass wir an diesem Abend den Geburtstag von Ramiro (Percys Bruder) feierten, sagte mir Percy erst am Samstagmittag – aber passend war’s trotzdem. Natürlich veränderte sich das blöde Dosenzeugs beim mixern nur von fast flüssig in ganz flüssig. Also ab ins Taxi zum nächsten Supermarkt, Rahm kaufen und wieder zurück. Raus kam schliesslich eine Torte mit fünf Lagen Orangenbisquit, gefüllt mit Vanille- und Schoggirahm – und sogar eine Kerze fanden wir noch 😉
Als erste Mahlzeit lud ich die Grosseltern zu selbst gebratenen Cheeseburgern mit Speck ein. Daneben gab’s mal Hörnli mit Wienerli-Wuüfeli – danke Metzgerei Otto Kunz aus Lima =D – und Ei, Speck-Käse-Omelett und einen Knöpfli-Versuch. Ob es am Rezept aus dem Internet lag, an den Zutaten oder an den ohne Waage oder Litermass geschätzten Mengen, weiss ich nicht. Jedenfalls wurde der Teig nicht richtig fest. Immerhin der Blumenkohl mit dem Paniermehl war lecker. Am Abend versuchte ich es mit dem restlichen Teig nochmals – allerdings mit demselben Ergebnis. Ohne Knöpflisieb oder halbwegs brauchbares Brett war mir die Prozedur dann zu doof und ich versuchte genervt, einfach Teighäufchen in Butter anzubraten. Überraschender- und erfreulicherweise waren die dann sehr lecker.
In den ersten Wochen machte ich nur einen kleinen Ausritt ins Valle Chilina, was soviel wie kaltes Tal heisst. Bei schönstem Sonnenwetter kam ich aber trotz kaltem Tal ins Schwitzen. Obwohl ich mich auf dem Rücken von Ricky Martin ja nicht besonders anstrengen musste, war ich nach dem Ausflug so platt, dass ich mich hinlegen und den Mittwochnachmittagskick auslassen musste. Nachdem nun schon einige Zeit ohne grosse Aktivitaet um war, lud mich Alejandra (Tochter von Percys Freundin Magda) ein, mir die Stadt ein wenig zu zeigen. Wir trafen uns am Montag an der schönen Plaza Cayma und spazierten zuerst zum Mirador Yanahuara und von dort dann weiter zum Hauptplatz Plaza de Armas. Nach einem späten Zmittag machte sie sich dann auf den Heimweg, während ich mich beim Touranbieter nach “meinen” Ausflügen erkunden wollte. Kurz zuvor hatten sich andere Interessenten angemeldet, sodass ich mich am Mittwoch zum Rafting und am Donnerstag zum Downhill vom Vulkan Chachani anschliessen konnte.
Bereits in Santiago versuchte ich erfolglos, einen Raftingausflug zu organisieren. So freute ich mich sehr auf die rasante Bootsfahrt. Diese fand im Rio Chili statt, dem kalten Fluss – naja, mit Neoprenkleidern geht’s trotzdem 😉 Unser internationales Boot (Belgier, Engländer, Holläderin, Italiener und ich) wurde von Guide Diego aus Pucón im chilenischen Seenland geführt. Wir ruderten fleissig, warfen uns auf Befehl sicherheitshalber ins Boot und witzelten über den Fahrer im Rettungskajak, der sein Paddel genau an der dümmsten Stelle verloren hatte. Gegen Ende konnten wir dann noch von einem Felsen in den Fluss springen. Dabei stiess ich mit den Füssen am Grund an, was zur Folge hatte, dass es die Sohle vom linken Neoprenschuh auf den Rist drehte und eine Naht platzte. Am abendlichen Kick nahm ich dann aber trotzdem Teil.
Am nächsten Morgen wartete ich lange auf den Bus und dachte schon, sie hätten mich vergessen. Schliesslich tauchte das Auto dann doch noch auf – sie hatten Probleme mit einem der Fahrräder. Einer der Guides war heute Rodrigo, der Bruder von Diego aus dem Boot, der andere ein Peruaner. Mit dabei waren zudem ein deutsches Paar und ein Engländer. Wir fuhren also im Auto den Berg hoch und liessen uns knapp unter der Schneegrenze auf ca. 4’500m abladen. Die Abfahrt holperte ganz gewaltig und ich hätte mich auf meinem eigenen Velo sicherer gefühlt. Trotzdem machte es Spass – bis mir auf einem kleinen Gegenanstieg die Kette riss. Natürlich war kein Reparaturmaterial dafür vorhanden und da Diego bereits zwei Platte hatte und im Bus mitfuhr, wollten wir einfach das Vorderrad austauschen. Klar, das eine Rad hatte Scheiben-, das andere V-Bremsen. Wir lösten es letztlich, indem wir Schlauch und Reifen wechselten. Danach konnte es wieder weitergehen. Für die Querfeldein-Abfahrten fühlte ich mich zu wenig sicher – als ich dann aber wieder Asphalt unter den Reifen hatte, gab’s kein Halten mehr. Nach der Rückkehr liess ich mich bis ins Zentrum mitnehmen. Dort schloss ich mich den beiden Deutschen an, um im nahen, hauptsächlich von Einheimischen besuchten Markt den Ausflug mit einem sehr günstigen aber leckeren Mittagessen abzuschliessen.
Mit meinen Sprachkenntnissen konnte ich mich recht gut durchschlagen, wenn ich auch manchmal – interessanterweise meistens in Läden – Missverständnisse hatte, da die Leute nicht zuhörten. Ferretería: Ich brauche was zum reinigen vom Abfluss in der Dusche. Ahh, hier. Nein, keinen Duschkopf, was für den Abfluss. Abfluss, Abfluss, wo sind denn die Abflüsse? Nein, keinen neuen Abfluss, nur was zum REINIGEN! Mini-Markt Chaska: Ich suche das dünne Zeugs aus Aluminium der Plastik, ich glaube es heisst “Film”. Keine Ahnung, noch nie gehört. Na um Lebensmitteleinzupacken, aus ähnlichem Material wie das hier (wobei ich den Plastik des grossen Brotsackes in die Finger nahm). Mehl? Klar doch, ich suche Alu-Mehl! Auf der Verpackung im Supermarkt hiess das dann tatsächlich “Film” 😉 Nochmals Mini-Markt Chaska: Diego (Percys Neffe) und ich wurden losgeschickt, Brötchen, Trinkschokolade, Dosenmilch und Pepsi zu kaufen. Ich wollte die Getränke übernehmen. Als die übrigen Artikel bereit lagen, sagte ich deshalb zur Besitzerin: Ich bezahle erst mal das. Sie ging dann weg und kam mit einem zweiten Sack Brötchen und einer zweiten Milch zurück – die Schokolade hatte sie vergessen. Es dauerte lange, bis die doofe Nuss begriff, dass ich das Zeugs nicht zweimal brauchte, sondern einfach bezahlen wollte. Sie sagte dann Diego den Preis, da sie meinte, ich würde sie nicht verstehen. Vermutlich war sie einfach überfordert, dass die Situation nicht nach ihrem gewohnten Schema abgelaufen war.
Die Zeit verging unglaublich schnell und so wurde es langsam Zeit, an den Abschied und die Weiterreise zu denken, was mit unterschiedlichen Gefühlen geschah. Als erstes brachte ich am Mittwochnachmittag wie in der Vorwoche aus Jux aufgefordert eine Flasche Pisco mit – dazu noch Coca Cola und Chips. Meine Idee, mich hauptsächlich an die Coke zu halten, wurde massiv erschwert, als sie das Zeugs in der Cola-Flasche mixten. Ich durfte mir eine Abschiedsansprache anhören und es wurde schnell dunkel. So verlegten die verbliebenen Taxistas (das haben sie mir erst am letzten Abend erzählt) und ich unseren Festort unter die Laternen auf der anderen Strassenseite – direkt vor das Polizeispital 😉 Nach zwei Stunden machten wir uns schliesslich an die definitive Verabschiedung und auf den Heimweg.
Das “Adios” und “Hasta luego” mit der Familie wurde dadurch vereinfacht, dass am letzten Samstag ja viele zu Ramiros Geburtstag kamen. Die Musik war aber wieder unglaublich laut, sodass ich mich Diego und Quique (Sohn von Magda) anschloss und ihnen beim Fussball auf der Playstation “leider” zeigen musste, dass die Schweiz halt doch besser kickt als Peru 😛 Gegen Mitternacht zog ich mich dann zurück – schliesslich musste ich am nächsten Tag ja bereits um 06.00 am Flughafen sein.
Trotz meinen vor allem anfänglichen gesundheitlichen Problemen konnte ich doch viele schöne Momente und viel herzliche Gastfreundschaft erleben. Dabei kämen mir noch viele weitere Anekdoten wie der Kick mit Diego im Garten, die Deutschlektion mit Stefania oder die Leckerli für den Hund in den Sinn. Aber irgendwas muss ich ja später auch noch erzählen können.