Puerto Natales – J. Dufour (39 km) – Ruta 40 (124 km) – El Calafate (34 / 108 km) – Cerrito (95 km) – Río Turbio (92 / 155 km) – Puerto Natales (30 km)
Am Mittwochvormittag machte ich mich also wieder auf den Weg, diesmal Richtung El Calafate, dem Eingangstor zum Nationalpark Los Glaciares. Ich wählte diesmal die Strecke über Río Turbio, da diese 2-3 km kürzer und im Gegensatz zum Hinweg komplett asphaltiert sei – den kleinen zusätzlichen 600m-Hügel und die sehr hügelige Landschaft nach der Abfahrt haben sie allerdings zu erwähnen vergessen. Ich schaffte es also am Nachmittag bis Río Turbio und überlegte, noch weiterzufahren. In J. Dufour gab’s dann das letzte Hostel und so blieb ich halt doch und nutzte die Zeit für den Bericht über Puerto Natales. Das Restaurant war dann überraschenderweise geschlossen und ich musste doch noch auf Selbstverpflegung umstellen. Aufgrund akuten Motivationsmangels liess ich das Kochen und so gab’s halt einen Pack Vollkorncracker mit Butter 😉
Am nächsten Tag ging’s dann wieder weiter und ab jener Stelle, bei der ich auf dem Hinweg Richtung Cerro Castillo abgebogen war, hatte ich endlich mal Rückenwind. Beim Windschutz nach ca. 10 km traf ich eine Singapurerin und einen Engländer, die gerade Mittagspause machen wollten. Das hatte ich zwar erst in Tapi Aike vor, trotzdem gesellte ich mich zu ihnen. Zwischendurch hielt dann auch noch ein Portugiese auf einen Schwatz an. Nach der Pause machte ich mich wieder auf den Weg und erreichte kurz darauf Tapi Aike, wo ich mir nochmals eine Pause bei der Tankstelle gönnte. Ich entschloss mich, doch noch weiterzufahren und war positiv überrascht, dass ich die Landkarte nicht richtig gelesen hatte. So ging die Schotterstrasse nach Cerrito nicht im rechten sondern ca. in einem 45°-Winkel weg. So hatte ich auch weiterhin Rückenwind und “flog” nur so über die überraschend gute Piste. Nach knapp 120 km merkte ich, dass ich am Hinterrad Luft verlor. Ich versuchte es einfach mal mit pumpen – vielleicht konnte ich die letzten 20 km ja so noch überbrücken. Nach 2 km musste ich aber schon wieder nachpumpen – letzter Versuch. Dabei traf ich einen Tschechen, der mir von zwei weiteren Radlern kurz hinter ihm erzählte. Er war leicht verwundert, als ich ihn fragte, ob es sich um Aarauer handle. Weitere 2 km weiter traf ich dann (mit schon wieder beinahe plattem Reifen) auf Markus und Yolanda, die ich beim Busbahnhof in Puerto Madryn kennengelernt hatte. Sie waren am gleichen Tag in El Calafate gestartet, wo ich ja hinwollte. Wir haben dann ein bisschen gequatscht und meinen Schlauch gewechselt. Da es schon Abend und vor allem auch beinahe windstill war, beschlossen wir, gleich neben der Ruta 40 zu zelten.
Am nächsten Tag ging’s dann mühsamer weiter. Die ersten 12 km bis zur Abzweigung in Cerrito gingen mit Seitenwind noch, danach kämpfte ich mit Gegenwind. El Calafate bis am Abend zu erreichen schien in weite Ferne zu rücken. Nach 30 km (Ø 9,31 km/h) hatte ich die Nase voll und hoffte, dass mich ein Pickup mitnimmt. Das anhaltende Auto war aber zu klein, um ein Velo zu laden und so zogen sie mich bis kurz vor’s Ziel. Die letzten 4 km hinunter ins Städtchen und zum Hostel legte ich dann wieder ohne Hilfe zurück.
In El Calafate erwischte ich einige Tage mit für diesen Ort aussergewöhnlicher Hitze von über 30°C. Ich kam durch die Hilfe bei der Anfahrt bereits am frühen Nachmittag an und machte mich gleich auf, um eine Fahrt zu den Gletschern zu buchen. Am anderen Morgen ging’s dann bereits um 07.15 los. Erst mit dem Bus zum Lage Argentino. Der ist ziemlich gross (ca. 1’560 km2) und entsprechend lange dauerte die Fahrt. Erst besuchten wir den Upsala-Gletscher. Als wir in die Nähe kamen, rannten alle zum Bug und liessen sich von Gischt und Wind nass spritzen. Aber dafür konnten sie ihre Kameras quälen und fleissig den Gletscher fotografieren. Ich spekulierte hingegen darauf, dass uns der Katamaran auch wieder zurück bringt und dazu umdreht. So geschah es dann auch tatsächlich und ich konnte trocken und ohne grosses Gedränge die Gletscher vom Heck aus geniessen 😉 Die weitere Fahrt führte uns dann zum Spegazzini- und schliesslich zum berühmten Perito-Moreno-Gletscher. Speziell an diesem ist, dass er immer noch wächst und dabei eine Seeenge schliesst. Alle paar Jahre wird der Druck des Wassers dann zu gross und es sprengt die Gletscherzunge. Kleinere Abbrüche können aber öfters beobachtet werden. Natürlich ging’s auch beim 2. und 3. Gletscher auf dem Schiff zu wie bei einer Europa-in-10-Tagen-Reise und einige Kameras drohten zu schmelzen. Immerhin hätten sie sie ja mit dem Eis kühlen können, das die Crew von einem nahen Eisberg holte. Insgesamt waren die Gletscher und die Eisberge – aber auch die ganze Umgebung – doch eindrücklich. Schade, dass das Erlebnis durch allzu viel Massentourismus-Feeling getrübt wurde. Am nächsten Tag machte ich dann noch einen Ausflug mit einem Allradfahrzeug zu einer Estancia im Schutzgebiet. Mit dabei waren auch eine Zweier- und eine Dreiergruppe aus Buenos Aires. Ausser dem Genuss der schönen Gegend konnten wir auf ca. 700 m.ü.M. auch noch einige Fossilien betrachten und zum Abschluss des Tages gab es dann noch ein leckeres Abendessen.
Am Montagabend war ich mir immer noch unsicher, ob ich zur die Carretera Austral radeln soll oder zurück nach Puerto Natales und dann mit der Navimag-Fähre nach Puerto Montt. Irgendwann schaute ich auf die Wettervorschau für die nächsten 10 Tage für jenes Gebiet, welche 13-17°C und oft Regen ankündigte. Da ich mit dem nervigen Wind während der Fahrten ja ohnehin schon lange am frieren bin, entschied ich mich kurz vor Mitternacht für die Fähre. Also wieder zurück nach Puerto Montt. Ich musste natürlich erst noch packen, die Fähre buchen und einige E-Mails mit meiner Entscheidung verschicken. So war es nach dem Einkaufen schon Mittag und ich ging erst mal was Essen. Danach fuhr ich beinahe nonstop durch, bis ich nach 95 km Cerrito erreichte. Unterwegs traf ich einen Iren sowie Henrik, der vor zwei Jahren in Dänemark gestartet war. Er erzählte mir bereits von weiteren Radlern in Cerrito. Allie aus Schottland, Peycho aus Bulgarien und Arnaud aus Frankreich hatten sich in Ushuaia getroffen und beschlossen, gemeinsam nach Norden zu fahren. Während Allie in knapp 6 Wochen wieder zurück müsse, wollen die beiden anderen bis nach Kanada/Alaska fahren. Als ich ankam, waren sie grad mit dem Essen fertig und hatten noch eine rechte Menge übrig, sodass ich mich einladen lassen und gleich essen konnte. Ursprünglich wollte ich noch ein bisschen weiterfahren, entschloss mich aber, auch dort im windgeschützten Eingangsbereich zu zelten.
Am anderen Morgen fuhr ich um ca. 07.30 bei knapp 4-5°C los! Nachdem es die erste Stunde noch recht flott lief, wurde der Wind danach immer mühsamer. Zudem war die Schotterpiste doch wesentlich schlechter, als ich das noch vom ersten Mal mit Rückenwind in Erinnerung hatte. Unterwegs traf ich auf Sam und Po aus Bournemouth (England), wo ich während der Lehre meinen Sprachaufenthalt hatte. So erreichte ich um die Mittagszeit wieder einmal Tapi Aike und ass gemeinsam mit einem polnischen Wanderer etwas. Danach wollte ich versuchen, per Autostop nach Río Turbio zu kommen. Nach weiteren 25 km hatte ich mich bereits darauf eingestellt, doch wieder bis Cerro Castillo zum zelten zu fahren, als doch noch ein Pickup anhielt. Die drei Brüder Escobar nahmen mich die knapp 60-65 km mit und luden mich direkt vor einem Hostel ab. Die drei sind Zimmerleute aus dem Norden, welche die Arbeit ganz in den Süden verschlagen hat.
Bereits beim aufstehen regnete es, hörte aber bis zum Frühstück wieder auf, nur um dann beim aufladen erneut zu beginnen. Also machte ich mich regendicht verpackt auf den Weg. Heute freute ich mich schon auf den Aufstieg zur Passhöhe, wusste ich doch, dass Río Turbio ca. 350 m höher liegt als Puerto Natales. Ich erreichte also nach 6 km kurz nach dem argentinischen Zoll die Höhe und machte mich an die Abfahrt. Der Nieselregen hatte übrigens kurz nach dem Start wieder aufgehört, während der ersten Zollabfertigung wieder angefangen und bis zum chilenischen Zoll erneut aufgehört. Zwischendurch konnte ich sogar mal mit über 65 km/h talwärts sausen. Weiter unten begann der Wind dann ein wenig zu spinnen: auf einem geraden, ebenen Stück kam er mal von hinten (35 km/h), einige Sekunden später von vorne (15 km/h), dann mal von links, mal von rechts. Allerdings wusste ich, dass die gesamte Tagesstrecke nur ca. 30 km lang war und so radelte ich frohen Mutes wieder zum Hostel.
In Puerto Natales verbrachte ich dann einige Tage mit angenehmem Nichtstun. Lustig war, dass Markus und Yolanda mir immer wieder mal über den Weg liefen, ob wie vereinbart im Café oder einfach zufällig in der Crêperia oder beim Navimag-Checkin. Auch Gilles und Jacques, die beiden französischen Radler, trafen am Samstagabend wieder im Hostel ein. Jetzt bin ich mal gespannt, wie mein Magen die Schiffsreise verkraftet. Dabei ist noch nicht mal klar, ob wir überhaupt starten können, da es tagsüber zu stark gestürmt hatte!