Puerto Madryn – Río Gallegos (Bus) – Güer Aike (36 km) – Hügel an der Ruta 5 (90 km) – La Esperanza (30 km) – Tapi Aike (78 km) – Cerro Castillo (50 km) – Puerto Natales (64 km)
Während einer Woche hatte ich im schönen und familiären Hotel La Posada in Puerto Madryn eine erholsame Zeit verbracht. Während diesen Tagen besuchte ich zweimal die Península Valdés, liess ein bisschen die Seele baumeln und freute mich, das erste Highlight meiner Reise erreicht zu haben. Nachdem ich am Sonntagabend noch einen Reifen wechseln musste (zwei grosse Risse), machte ich mich am 21. Januar wieder auf die Reise.
Diesmal hatte ich tatsächlich einen Platz im Bus gebucht und so machte ich mich gegen Mittag auf zum Busbahnhof. Dort traf ich auf Markus und Yolanda aus Aarau, die soeben mit dem Bus aus Buenos Aires eingetroffen waren, allerdings ihre Fahrräder nicht im selben Bus mitnehmen konnten und deshalb noch ein paar Tage auf Ihre Vehikel warten müssen. Die beiden befinden sich auf einer Weltreise (Deutschland, Skandinavien, England, Florida und aktuell eben Argentinien) und sind seit einem halben Jahr unterwegs. Bei mir klappte der Velotransport zum Glück problemlos und so machte sich der Bus mit mir und meinem ganzen Krempel pünktlich auf den Weg Richtung Süden. Nach nochmals etlichen 100 km durch Gras- und Buschland und drei Polizeikontrollen unterwegs empfing uns Río Gallegos am frühen Morgen gleich mal mit einem Regenschauer. Bis ich mich umgezogen und alles Wasserdicht verpackt hatte, war der Spass aber auch schon wieder vorbei. Ich ging also erstmal ein Spannset suchen (gibt es offensichtlich in ganz Argentinien nicht). Nach drei Ferreterías gab ich auf – der Supermarkt hatte inzwischen geöffnet. Also los, erst mal einen Grosseinkauf machen. Schliesslich wusste ich ja nicht, wie die Verpflegungssituation in den nächsten Tagen aussehen würde.
Da ich auf einen Bus nach Ushuaia einige Tage hätte warten müssen und der Sommer im Süden schon bald zu Ende geht, entschied ich mich, Feuerland auf eine nächste Reise zu verschieben und mich direkt auf den Weg zu den Nationalparks im Westen zu machen. Die Magneten der Torres del Paine und der Gletscher fingen an zu wirken. So machte ich mich nach dem Mittag auf den Weg auf der Ruta 3 und später der Ruta 5 Richtung Güer Aike. Dort wollte ich eine Unterkunft für die Nacht suchen. Bei einem weiteren Kontrollpunkt bei der Abzweigung der Ruta 40 ca. 2 km vorher traf ich auf Andrés, der mit seinem Rad auf dem Heimweg von Ushuaia nach Rosario (Nordargentinien) ist. Dort sagte man mir auch, dass es in Güer Aike keine Unterkünfte gebe. Allerdings war auf meiner Karte ca. 10 km weiter auf der Ruta 40 eine grosse Tankstelle mit Campingplatz eingetragen. Ich entschied mich, trotzdem mal in Güer Aike nachzuschauen. Auf dem kurzen Weg dorthin fuhr ein Auto langsam neben mich und nach ein paar Worten durch das Fenster hielten sie auf dem Seitenstreifen an. Im Auto sassen Andrés mit Frau Magalý und Sohn Jesús (4). Nach dem üblichen Woher und Wohin luden sie mich zu einem Matetee in ihr Wochenendhäuschen in Güer Aike ein. Schliesslich boten sie mir an, gleich dort zu übernachten und organisierten gleich noch ein Asado (Grill) für den Abend, zu welchem spontan auch sein Freund Hugo mit Frau Stella und den Teenagern Anita und Pedro kamen. Da der familiäre und herzliche Abend erst um 02.00 endete, blieb ich gerne noch eine Nacht und schaute den Sturmböen und kurzen Regenschauern durchs Fenster zu. Zudem stellte ich endlich den Lenker höher, was sich als richtige Massnahme erweisen sollte. Die Wahrscheinlichkeit zu solchen Begenungen ist mit dem Velo (oder allenfalls noch als Rucksackreisender) halt schon um vieles höher als bei Reisen mit dem Motorrad oder gar dem Auto – welches aber für Patagonien gar keine so dumme Alternative zu sein scheint…
Am nächsten Morgen machte ich mich trotz starkem Gegenwind gut gelaunt auf den Weg. Gegen Mittag traf ich die nächsten zwei Radnomaden. Jons (Nähe Stuttgart) und Martina (Schaffhausen) sind seit 17 Monaten unterwegs: Süddeutschland bis Spanien – Schiff bis Panama – Segelschiff bis Kolumbien – Südamerika bis Argentinien. Sie wollen jetzt wieder nach Norden und im April von Brasilien wieder ein Schiff nach Europa nehmen. Am Nachmittag liess der Wind dann nach und ich kam ganz gut voran. Trotzdem reichte es nicht mehr bis La Esperanza, sodass ich 30 km vorher im Wind- und Sichtschutz eines Erdwalls zeltete. Teilweise schaffte es der Wind aber auch über den Wall und es wurde eine kühle Nacht. Am frühen Morgen brach ich dann das Zelt ab und machte mich an die restlichen 30 km nach La Esperanza. Auf diesem Teil blies mich der Wind beinahe von der Strasse und ich musste einige Male wieder vom Seitenstreifen auf die Strasse zurück korrigieren. Obwohl ich “schon” um 11.00 ankam (nach 3 Stunden Nettofahrzeit!), entschied ich mich, hier zu übernachten. Um 20.00 sagte man mir im Restaurant noch, die Küche öffne erst in einer Stunde und so machte ich mich auf, in der Tankstelle vis à vis zu essen.
Seit der Ankunft in La Esperanza hatte ich mich versucht darauf vorzubereiten, am nächsten Tag 8 – 10 Stunden gegen den Wind radeln zu müssen, um die knapp 80 km nach Tapi Aike zu schaffen. Unmotiviert schaute ich also am morgen mal durch die Spalten im Fensterladen und entdeckte eine schlaff herunterhängende Flagge und einige aufrecht stehende Bäume – Windstille! Also nichts wie auf, packen, frühstücken und los. Gleich nach dem Start musste ich nach links abbiegen: und da waren die Berge in gar nicht mehr so weiter ferne endlich zu sehen. Tatsächlich blieb es den ganzen Tag windstill und sonnig und erst am Nachmittag kam noch ein Lüftchen auf. In Tapi Aike gibt es eine Estancia, auf der Übernachtungsmöglichkeiten angeboten würden. Erst wollte ich aber beim Kiosk an der Tankstelle was trinken. Gleichzeitig kamen auch Juanfran (Spanien) und Agatha (Polen) dort an. Sie waren ebenfalls in Buenos Aires gestartet, von Puerto Madryn aber nach Westen und die Carreterra Austral nach Süden gefahren – jene Strecke die ich eigentlich später hoch will. Sie wollten nebenan bei der Polizeistation fragen, ob sie im Windschatten des Gebäudes zelten dürfen. Ich wollte aber erst noch einkehren. In dieser Zeit erreichten Stefan aus Freiburg (D), Florin aus Rumänien und Galina aus Estland die Tankstelle. Sie kamen vom Nationalpark Torres del Paine und sind ebenfalls in nördlicher Richtung zur Carreterra Austral unterwegs. Nach einigen Tipps für den Nationalpark radelten Sie weiter, während ich mich entschied, mich den anderen zwei Radlern anzuschliessen und mein Glück bei der Polizeistation zu versuchen. Ich traf sie dort beim Abwasch – sie durften nicht nur zelten sondern auch die Küche benutzen und am Abend gab’s sogar noch eine warme Dusche. Der Tag endete mit einem wunerschönen Sonnenuntergang.
Eigentlich wollten wir am nächsten Morgen früh loslegen, standen aber später als geplant auf. Der supernette Polizist Walter lud uns noch auf eine Runde Mate ein und so fuhren wir erst um ca. 08.45 ab. Das sollte sich rächen! Nach beinaher Windstille während der ersten halben Stunde fing danach der Gegenwind immer stärker an zu blasen, sodass wir die Hügel aufwärts teilweise schieben mussten. Unterwegs kamen uns André Costa und Ana Vivian aus Florianopolis (Südbrasilien) entgegen. Bei ihnen kann ich bei Gelegenheit wegen Tipps für die geplante Strecke von Buenos Aires über Uruguay und Südbrasilien zu den Wasserfällen von Iguazú nachfragen. Irgendwann wollte es Galina dann mit Autostopp versuchen. Gleich der erste Lieferwagen hielt auch an, hatte aber nur Platz für einen Radler mit Ausrüstung. So nahm er mich die ca. 10 km bis zur Abzweigung nach Chile mit. Dort wartete ich lange und fragte sogar andere Autofahrer nach, ob sie noch oben wären. Da ich kaum Windschutz fand und teilweise Sand und Steine der Schotterstrasse mit geblasen wurden, machte ich mich nach ca. 1 1/2 Stunden auf den Weg zur Grenze, um dort zu warten. Nachdem ich den Ausreisestempel im Pass hatte, ass ich was und wartete weiterhin auf die zwei. Ich wollte grade einem Busfahrer fragen, ob er sie gesehen hätte, als die zwei auf dem nahen Hügel auftauchten. Sie fanden keine Mitfahrgelegenheit und mussten den Ganzen weg schieben. Deshalb fragten sie beim Zoll nach, ob es möglich sei, dort zu zelten. Die Zöllner zeigten uns ein altes baufälliges Gebäude, wo wir über Nacht bleiben könnten. Nicht besonders einladend aber zumindest Wetter- und (einigermassen) Windgeschützt. Ich fühlte mich dort aber nicht wohl und entschied mich nach dem Abendessen, die 8 km nach Cerro Castillo doch noch zu fahren, wo es neben einem Minimarkt auch zwei Hosterías geben sollte. Bei der Chilenischen Grenze musste ich mit Schrecken feststellen, dass ich den Pass nach dem abstempeln nicht mehr ordentlich eingepackt und in der Bruchbude liegengelassen hatte. Zum Glück hatte einer der netten Zöllner ein Auto und so fuhren sie mit mir zu zweit zurück zur Argentinischen Station. Danach konnte ich dann problemlos einreisen. Im Minimarkt kaufte ich dann noch ein paar Sachen, um meine Ankunft in Chile zu feiern. Danach machte ich mich voller Vorfreude auf ein warmes Bett auf die Suche nach den Unterkünften. Die erste Frau meinte, es gäbe keine, der zweite erzählte von einer ganz im Westen und einer anderen ganz im Osten, während der Marktbesitzer sagte, nur noch die im Osten sei geöffnet. Nachdem ich alles abgefahren hatte musste ich feststellen, dass leider die Frau am Anfang recht hatte. Also doch wieder das Zelt aufstellen. Der Marktbesitzer hatte mir erzählt, es gäbe einen öffentlichen Platz, auf dem man zelten könne. Er war zwar hell beleuchtet, lag aber hinter hohen Schutzwällen windgeschützt und zudem nur einen Block von einer öffentlichen (und auch geöffneten) Toilette entfernt. Gleich nebenan entdeckte ich dann auch noch den Warteraum der Bushaltestelle, der sich ebenfalls angeboten hätte. Mein Zelt stand aber schon und deshalb packte ich mich möglichst warm ein und schrieb noch schnell meine Notizen. Und gleich danach schaltete die Zeituhr um 00.30 die Beleuchtung aus.
Nach einer recht erholsamen Nacht machte ich mich früh auf den Weg. Neben der Strasse beim Minimarkt stand ein Tramper. Ich teilte eine Schokolade mit Felipe aus Coihaique (Chile), der seit 8 Monaten in ganz Südamerika unterwegs ist, und unterhielt mich ein wenig mit ihm. Wieder um 08.45 ging es dann los nach Richtung Puerto Natales. Am Anfang hatte ich wieder mit dem Wind zu kämpfen, im Verlauf der Strecke änderte sich die Richtung aber zunehmend und so kam ich ganz ordentlich voran. Am frühen Nachmittag erreichte ich schliesslich Puerto Natales. Bei der Touristeninformation fragte ich nach günstigen Unterkünften und bereits bei der ersten Adresse standen zwei (gepäcklose) Reiseräder abgeschlossen vor dem Eingang. Diese gehören Gilles und Jacques aus Frankreich, die auch von der Carreterra Austral her kamen und ebenfalls bei den Torres del Paine wandern möchten. Später gesellte sich noch Emilie dazu, die aber auf dem Campingplatz übernachtete. Ich brachte also mein Zeugs auf’s Zimmer und machte mich nach einigen Plaudereien und einer warmen Dusche auf den Weg in’s Städtchen. Dort konnte ich die Wäsche waschen lassen und fand endlich mal einen Shop mit Outdoor-Artikeln. Jetzt kann ich doch tatsächlich einen zusätzlichen Pulli für 69’900 mein Eigen nennen 😉 Zum Abschluss der Etappe gab’s noch eine feine Grillplatte (bzw. feines Zeugs auf der Grillplatte) und danach ging’s zeitig ins Bett.