Ojo de Agua – Villahermosa (22.06.2014 – 29.06.2014)

Ojo de Agua – Ciudad Sahagún (61 km) – Puebla (100 km) – Esperanza (99 km) – La Tinaja (122 km) – Cosamaloapan (87 km) – Heroica Cárdenas (5 km + LKW) – Villahermosa (49 km)

Noch nie hatte ich so oft “no te vayas” gehört. Mau wollte sogar sammeln, damit ich später mit dem Bus nach Cancún fahre! Trotzdem musste ich mich verabschieden – ob jetzt oder in ein bis zwei Wochen. So gab mir Mau – nachdem er sich auf dem bepackten Fahrrad versucht hatte – noch ein Weilchen ein Geleit, bzw. er fuhr vor, bis ich auf der Strasse nach Otumba war. Die tönt eigentlich nicht spektakulär und wäre wohl auch nicht wirklich bekannt, würde sie nicht wenige Meter an den Ruinen von Teotihuacán vorbeiführen! Das Wetter spielte heute verrückt. Erst Gegenwind (30°), dann Rückenwind (39°) und zum Schluss noch ein Umsturz mit starkem Gegenwind und nur noch 19°. In Ciudad Sahagún angekommen telefonierte ich David (der von der Tankstelle in der Nähe von Querétaro) und kurz darauf wurde ich von seinen Eltern (Irene, 78 und Mariano, 90) abgeholt. Erst besuchten wir noch ihre Schwägerin, dann ging’s zu ihnen nach hause. Den Nachbarn lernte ich auch sofort kennen. Auf dem Weg ins Städtchen hatte ich meine Schweizerfahne verloren und wie es der Zufall so will, arbeitet ihr Nachbar etwas in der Richtung.

Eigentlich plante ich, am nächsten Tag gleich weiterzufahren. Allerdings meinte David, seine Velokumpels würde es am Montag besser passen und weil ich erst spät ins Bett kam, blieb ich noch einen Tag. Wir gingen zusammen zum Markt – einen Block weiter soll Hernán Cortés mit seinen Mannen durchgezogen sein. Dann durfte natürlich das WM-Spiel der Mexikaner gegen Kroatien nicht fehlen. Die Radler habe ich indes nicht getroffen. Ich verstand Irene in dem Sinn, dass es doch geregnet hätte. Schade um das Missverständnis, trotzdem war es ein Tag bei tollen Leuten, die mir mehrfach versicherten, ich sei jederzeit wieder willkommen – auch mit Kind, Kegel, Eltern, Grosseltern oder wem auch immer 😉

Am nächsten Morgen begleiteten sie mich im Auto bis zur Stadtausfahrt. Seit langer Zeit musste ich tatsächlich wieder mal die langen Sachen zum radlen rauskramen. 16° im Sommer! Also wenn das so weitergeht, ist der Hubertus von Hohenlohe bald nicht mehr der einzige Mexikaner, der die Olympiapisten runterrutscht! Die Fahrt nach Puebla verlief dann ruhig. Zwischendurch wurde es auch wieder heiss und am frühen Abend erreichte ich gerade noch vor dem grossen Regen meine Unterkunft.

Nun fehlten noch gute 100 km, bevor es vom Hochland an die Küste runterging. Der neue Poncho für MXN 70 (ca. CHF 5) durfte sich heute erstmals im Ernstfall bewähren. Und er versagte total: unbequem, im Wind bremsend und vor allem vor dem Rückspiegel flatternd! Im Verlauf des Tages gab sich das mit dem Regen dann zum Glück und so erreichte ich die Mautstelle in Esperanza. Von da waren’s zwar nur noch 2 km bis ins Dorf, das ich allerdings völlig durchnässt erreichte. Ich merkte mir vor, beim nächsten Ruinenbesuch zum Tempel des Wettergottes zu gehen und mit dem Hausherr mal ein ernstes Wörtchen zu reden! Immerhin hatte ich bei der Unterkunft Glück. Da grad einige Arbeiter (Telefonleitungen usw.) im Ort waren, war das Hotel voll. Trotzdem kamen alle unter und ich konnte in ein herziges rustikales Zimmer einziehen. Mit dem Poncho machte ich dann als Tagesabschluss dem Hoteleigner ein Geschenk.

Wieder mit langen Sachen aber diesmal auch mit viel Vorfreude fuhr ich wieder los. Nach einigen Kilometern erreichte ich dann auch schon die letzte Anhöhe und ich konnte losdüsen. Die unzähligen Schilder mit Aufforderungen wie “Bremsen testen” oder “langsam fahren” oder “viele Kurven” ignorierte ich. Stattdessen überholte ich ca. 15 LKW – natürlich korrekt auf der Überholspur =D Nach 50 km war der Spass dann vorübergehend vorbei. Nachdem ich schon in Puebla Metallteile aus dem hinteren Pneu ziehen musste, zog ich total 12 heftklammerndicke Stücke raus! Total machte ich in der prallen Sonne sieben Flicken drauf, wobei sich einige wieder lösten und ich nochmals ran musste. Zuletzt wechselte ich dann doch noch den Schlauch – das natürlich während einem heftigen Schauer! Der Regen hörte bald wieder auf und ich konnte weiter hauptsächlich bergab radeln. Am Vorabend dachte ich noch daran, dass das die längste Etappe meiner Tour werden könnte. Daran war nun nicht mehr zu denken. Dafür kämpfte ich in den Gegenanstiegen und im Flachen darum, zum ersten Mal einen 30 km/h-Schnitt zu erreichen. In La Tinaja spürte ich dann bereits das neue tropische Klima. So brauchte ich dann für die 122 km knapp unter vier Stunden, fuhr dabei netto ca. 2’300 Höhenmeter hinab und war dank der Luftfeuchtigkeit klatschnass aber doch zufrieden.

Wieder fuhr ich zurück auf die Autobahn – bzw. die gebührenpflichtige Holperstrasse. Die Gebühren sind ja doch ziemlich hoch und da ist es teilweise dann doch eine Zumutung, was die privaten Betreiber als Gegenleistung bieten. Anscheinend dürfen sie die Strassen bauen und dann für einige Jahre (10 oder 20 oder was in der Art) abkassieren, bevor sie an den Staat übergehe. Und da möchten sie wohl speziell kurz vor der Übergabe nicht mehr gross investieren. Die hohe Luftfeuchtigkeit merkte ich sehr rasch. Im Durchschnitt musste ich ca. einen Liter pro halbe Stunde Fahrzeit “nachfüllen”! Dafür traf ich während der frühen Mittagspause in einem Autobahnrestaurant auf zwei Poblaner (das sind die, die in Puebla wohnen). Wir plauderten ein Weilchen und als sie sich verabschiedeten, meinten sie, meine Spaghetti seien auch schon bezahlt. Juhuiii – vielen Dank! =D Weiter fuhr ich durch die Ebene mit tropischer werdender Vegetation. Unterwegs musste ich kurz für das 11’000km-Foto anhalten und gegen Abend erreichte ich die Mautstation Cosamaloapan, wo mir ein Tacoverkäufer den (mässigen) Tipp gab, ins Dorf zu fahren und dort ein Zimmer zu nehmen. Dafür konnte ich einen neuen MP3-Spieler kaufen. Der alte hatte den Regen nicht überstanden und beim Ersatzgerät war das Ladekabel kaputt und ich konnte kein Mini-USB-Kabel auftreiben.

Dafür hing ich am nächsten Morgen längere Zeit in zwei Internet-Cafés rum. Da der I-Pod Shuffle das einzige in brauchbarer Grösse war, entschied ich mich dafür. Nun brauchts dafür natürlich I-Tunes, was bekannterweise kein Google-Programm ist und deshalb auf dem Chromebook nicht installiert werden kann. Nachdem endlich das Gewünschte zu den Ohrhörern rauskam, war’s auch schon Zeit für ein frühes Mittagessen. Vermutlich ein Fehler – aber das sollte sich erst später rausstellen. Ich fuhr dann endlich los, allerdings wie geplant nur zurück bis zur Mautstelle. Dort unterhielt ich mich mit ein paar Privatpolizisten und wir stimmten überein, dass Verkehrsgesetze in der Schweiz eher als fixe Regeln, in Mexiko hingegen eher als generelle Empfehlung zum Verhalten im Strassenverkehr zu verstehen sind. Dann machte ich mich auf die Suche nach einer Mitfahrgelegenheit. Da ich dem Zeitplan schon hinterherhinkte, hätte ich durchschnittlich 150 km pro Tag zurücklegen müssen, um meinen Flug nicht zu verpassen. So fragte ich bei einem Lastwagenfahrer mit leerem Auflieger nach und gleich der erste nahm mich mit. Wir unterhielten uns über dies und das und nach ca. zwei Stunden fragte er mich, wie ich denn eigentlich heisse. Urs, und du? Juan Pablo. Mucho gusto… Am späteren Abend bog er dann von der Autobahn ab und lud mich in Heroica Cárdenas vor einem Hotel ab. Immer mehr merkte ich, dass ich wohl was schlechtes gegessen (oder wohl eher getrunken) hatte. Jedenfalls merkte ich mir, mir beim Wettergottbesuch auch noch Montezuma vorzuknöpfen!

Bis Villahermosa warens nur knapp 50 km, für die ich aber beinahe drei Stunden brauchte. Juan Pablo meinte gestern, Villahermosa sei in doppeltem Sinne falsch: erstens seis keine “villa” und zweitens schon gar nicht “hermosa”. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass Villahermosa im Bundesstaat Tabasco liegt, während er im benachbarten Campeche in Ciudad Carmen lebt. Ich machte mich nach einem Abstecher zur Apotheke (inkl. Ärztin) auf zum Busbahnhof und kaufte ein Ticket für den Nachtbus nach Chetumal kurz vor der Grenze zu Belize. Dort stellte ich dann mit erschrecken fest, dass mein E-Reader nicht mehr da war. Ich konnte mich noch erinnern, dass er in einem Tankstellenrestaurant in der Toilette runtergefallen war und ich ihn auf den Papierspender gelegt hatte. Also deponierte ich mein Velo beim Schuhputzer im Busbahnhof und nahm ein Taxi für die gut 7 km zurück. Leider war das Gerät aber nicht mehr da und auch bei der Apotheke und der Ärztin hatte ich keinen Erfolg. Das ärgerte mich nun wirklich – mitten in einem Buch! Ich hätte aber auch zu gern das Gesicht gesehen, als der Dieb feststellte, dass es kein Tablet-Computer sondern ein E-Reader mit 200 Büchern war – und natürlich alle auf Deutsch 😉 Der Taxifahrer hatte aber Mitleid und gab mir 25% Rabatt auf die Fahrt. Danach musste ich auch nicht mehr lange warten, bis unser Bus bereitstand. Der Chauffeur (oder der Packmann) meinte, normalerweise müsse man bei sovielen Gepäckstücken noch ein Extraticket haben. Ich erzählte ihm dann vom Ticketkauf und von meiner Nachfrage bei der etwas überforderten Dame am Schalter, ob ich für das Fahrrad denn nichts bezahlen müsse und er drückte mir mit einem Grinsen die sieben Gepäckscheine in die Hand.