Die bereits geplante Abfahrt verschob ich erneut. Am Wochenende fühlte ich mich schlapp und meine Augen tränten. Vielleicht war frühlingsbedingt was in der Luft… Danach war dann in regelmässigen Abständen was los, sodass ich die Abfahrt immer weiter aufschob.
Zuerst stand mal die Fete von Omar (Guadalajara I) auf dem Plan. Es war zwar kein runder Geburtstag, davon liess er sich aber nicht beeindrucken. Es kamen unzählige Leute und sogar eine Banda (Gitarre, Tuba, Schlagzeug und Harmonika) spielte auf. Schliesslich machte ich mich dann mit Cynthia, die von ihren Freunden Panda genannt wird und die nicht allzu weit vom Hostel entfernt wohnt, auf die Suche nach einem Taxi. Nachdem wir uns über die Richtung (die Hauptstrasse ist die mit den vielen Lichtern / ich kam von links, also müssen wir eher in diese Richtung zurück) geeinigt hatten, suchten wir ein Taxi. Ich legte mich ein paar Stunden auf’s Sofa und kam nach 10.00 endlich zurück ins Hostel. Dort verschlief ich dann den Tag und stand erst am frühen Abend wieder auf.
Am Abend stand dann der erste Grillabend an. Samirs Avocadosauce und mein Hörnlisalat waren ebenso lecker wie erstaunlicherweise auch die Würstchen 😉 Das wiederholten wir in den nächsten Wochen, wobei wir dann auch mal danebengriffen: verbrannte und innen noch blutige Pouletflügeli und verbrannte Würstchen. “Grillchef” James wurde beim nächsten Mal dann anderweitig eingesetzt – und er brachte beim anfeuern den Rest dazu, wassersuchend rumzurennen, um die Stichflamme wieder zu löschen. Eigentlich weiss ja jedes Kind, dass man eine brennbare Flüssigkeit nicht aus der Flasche in die Flamme giesst, da sich diese am Strahl entlang frisst. Immerhin brauchten wir weder Feuerwehr noch Arzt… 😉
Ein weiteres Fussballspiel stand als nächstes auf dem Programm: das Stadt-Derby zwischen Atlas und Chivas. Chivas soll der populärste Verein Mexikos sein, da sie nur mit Mexikanern spielen. Hier gefeiert würden unsere Vereine bestimmt als ausländerfeindlich kritisiert 😉 Früher war Atlas wohl der Club der Studenten und “Reichen”, während Chivas Arbeiter und “Arme” vertrat. Mittlerweile hat sich das aber etwas geändert. Die Preise im älteren Estadio Jalisco von Atlas sind jedenfalls wesentlicher moderater als jene in Chivas’ modernem Estadio Omnilife. Die Stimmung war dann wirklich toll. Allerdings kann ich die Fangesänge hier nicht wiedergeben – das würde definitiv zu viele “Piep” brauchen. Etwas später wollten wir dann auch noch den mexikanischen Clasico zwischen Chivas und América aus Mexico City schauen. Samir sammelte das Geld für die Tickets ein – und wurde seither nicht mehr gesehen. Später stellte sich heraus, dass auch bei seinem Arbeitgeber einige teure Geräte fehlten. So ein Gauner :-/
Mit Panda und einigen Freunden (vor allem Sami und Octavio) ging ich dann einige Male aus. Dabei drückte ich die Kamera meistens Panda in die Hand, mit der Folge, dass zur Abwechslung mal ein paar Fotos mehr existieren. Erst war also mal das Kinofestival in Guadalajara. Der erste Film zeigte ein Drama, wobei mir gefiel, dass wir teilweise nur die Stimmen und Geräusche hinter den Türen oder einer anderen Silhouette hörten und so die Bilder für das Geschehen unserer Fantasie überlassen wurde. Der zweite Film war aus den 1940er-Jahren. Gesprochene Worte gab es keine. Zwischendurch wurde ein wenig Text mit Erklärungen eingeblendet. Vor allem aber wurde das ganze von einer Live-Band begleitet.
Ein ander Mal besuchten wir eine Privatparty. Anscheinend kannte von ihnen auch keiner den Gastgeber – es sei halt so eine Einladung per Facebook gewesen… Das Gebäude war dann riesig, mit eigenem (etwas renovationsbedürftigem) Tennisplatz und natürlich auch einem grossen Pool, den wir zum Schluss auch mal testeten.
Witzig war auch der Besuch bei “LaserZone”. Mit sieben Cousinen und Cousins (ca. 7 – 17 Jahre) zogen wir los. Erst per Bus zur Gran Plaza. Für das Spiel mit den Laserknarren mussten wir noch etwas warten. Also gingen wir was trinken. Der Teller mit Pouletflügeli, Rippchen und Pommes frites schaffte es kaum auf den Tisch, bevor in unzählige Kinderhände schon beinahe geleert hatten. Zurück bei der Halle hatte der Veranstalter dann kurzerhand noch eine zweite Gruppe angenommen, die nun gegen uns spielen sollte. So musste unsere Kindertruppe gegen einen Haufen Erwachsene antreten. Es scheint aber trotzdem allen Spass gemacht zu haben.
Der grösste Anlass war dann bestimmt das Water-Festival Chapala – das eigentlich nicht in Chapala sondern am gleichnamigen See in Jocotepec stattfand. Mich begleiteten Panda, Doug, Fiza, Rafael und Tom. Auch Alex mit Freundin Marie sowie James mit seiner Sara und als einer der Organisatoren natürlich auch Fernando waren dort. Mir gefiel besonders, nach langer Zeit mal wieder ein bisschen Natur zu sehen. Fer musste sich danach aber von den Europäern, Amis und Australiern einige Kritik anhören. Getränke oder Esswaren durften nicht mit auf’s Gelände genommen werden. Zudem durfte man nach verlassen des Festgeländes nicht mehr eintreten. So wollten sie die Gäste zwingen, sich an den teuren Ständen zu verpflegen. Beides geht bei einem Openair-Festival überhaupt nicht! Das Festival fand auch nicht direkt am See statt. So standen nur einige (bereits schmutzige) Pools zu Verfügung – Die Badehosen blieben also trocken. Als dann zu Beginn der Hauptzeit auch noch ein DJ anstatt einer Liveband auftrat, machte ich mich mit der ersten Gruppe wieder auf den Rückweg.
Von den Gästen ist Chuck aus Heidelberg speziell zu erwähnen. Ca. drei Wochen vor ihrer Ankunft beschlossen Anna und er, Eric in Mexiko zu besuchen bzw. ihn dahin zu begleiten. Chuck liess sich dann gleich auch noch ein neues Tattoo stechen: eine blaue Chili. Oder auch Mackay aus Kalifornien, der mit Mitte 50 an seiner Studienarbeit schreiben wollte. Obwohl er bereits für einen Monat bezahlt hatte, reiste er bereits früher wieder ab, worauf ich für eine Woche gratis in die grosse Privatunterkunft umziehen konnte. Dort blieb ich dann auch, bis sie wieder vorreserviert war. Alex war ganz aufgeregt, weil die Mutter seiner Freundin aus Frankreich anreiste. Natürlich wollte er einen besonders guten Eindruck hinterlassen. Und so fragte er mich am Donnerstagabend, ob ich am Samstag schon vor der Auscheckzeit um 11.00 das Zimmer wechseln könne. Natürlich war das kein Problem – bis er die Idee hatte, sein Sondergast würde zwischen 08.00 und 09.00 ankommen und grossreinemachen müssten sie auch noch. Er war dann auch ganz überrascht, als ich ihn fragte, ob noch ganz bei Trost sei 😉 Ich zog also bereits am Freitagvormittag um. Geputzt wurde aber noch nicht. Die Angestellte bemüht sich wirklich bei der Arbeit – am meisten darum, auf keinen Fall irgendwelchen Schmutz zu belästigen! Aber solange sie mit dieser Einstellung ihr Geld bekommt…
Dafür wurde das Hostel sonst nach und nach verbessert. Mein billiger Grill sorgte bereits für einige tolle Grillabende. Vor kurzem wurden dann auch noch zwei grosse, bequeme Hängematten montiert. Der Superprofi, der die Haken verankerte, ist aber wohl nicht der Reinlichste. Weder den Grill noch mein Fahrrad räumte er vor dem bohren weg. So verschmutzte er mein geliebtes Velo schlimmer, als es der Sand der Atacama in Chile oder jener auf der mexikanischen Baja California in mehreren Wochen geschafft hatten. Eigentlich ist es aber Alex’ Fehler – schliesslich habe er ihn auch schon mal darauf hinweisen müssen, dass er doch allenfalls die Schuhe ausziehen möge, bevor er auf die Matratze klettere! Das Highlight – weil am höchsten angebracht – waren aber die (Zitat Alex) “hängenden Gärten von Blue Pepper”. Dazu montierten sie ein Drahtgeflecht und befestigten Grünzeug sowie Blumen daran. Nach einiger Zeit konnte ich mir den Kommentar dann doch nicht verkneifen, das Plastikzeugs werde wohl auch mit dem bald zu erwartenden Regen nicht von selbst wachsen 😉
Nach vier Monaten ohne Bewegung löste ich dann auch mal ein einmonatiges Fitnessabo. Kurz darauf weckte mich Alex an einem Sonntagmorgen, um auf die Vía Recreativa zu gehen. Ähnlich unserem Slowdown werden dort am Sonntag bis 14.00 einige Hauptstrassen gesperrt. Bereits einige Tage zuvor hatte ich das andere Fahrrad repariert. Dabei hat ein doofer Spanier meinen kleinen Engländer-Schlüssel verbogen. Der Möchtegern-Handwerker hämmerte darauf ein, weil er die Schraube von Hand nicht bezwingen konnte – die Schraube gewann allerdings auch die zweite Runde :-/ Nun immerhin konnten wir dann am Sonntag losradeln. Unterwegs wechselten wir die Velos und Alex meinte, das sei wie aus einem Käfer in einen Ferrari umzusteigen.
Eine Woche später machten wir uns am Ostersonntag dann auf zu Alex’ erster Radtour hinunter nach Tequila. Obwohl es mehrheitlich leicht abwärts ging und er auch ca. 2/3 mit meinem Velo fuhr, war er ziemlich auf der Schnauze und nach der Rückfahrt per Bus froh, dass es von der Haltestelle zurück ins Hostel nicht mehr allzu weit war. Das Resultat von “Ich bin braunhäutig und brauche deshalb keine Sonnencrème!” überlasse ich mal der Fantasie – mir kamen spontan einige Restaurannamen in den Sinn: El Pollo Asado oder Red Rooster 😉
Am Dienstag war die Reihe dann an James. Wir wollten nach Chapala an den See radeln. Er überraschte mich positiv. Als Raucher, der seit Jahren keinen Sport treibt, hätte ich bei ihm mehr Probleme erwartet. Die kamen dann später als sein vor einigen Wochen verletztes Knie wieder zu schmerzen begann. Trotzdem kamen wir dem See schnell näher. Nur war nach den 50km von Chapala weit und breit nichts zu sehen. James “wusste”, wie man nach Chapala kommt, weshalb wir auch nicht den Wegweisern folgten. Grundsätzlich stimmte das schon. Leider kannte er die Strecke vom Bus und dieser klappert auch noch einige zusätzlich Dörfer ab. Umweg: ca. 30km! Als wir nach gut 60km Jocotepec erreichten, entschieden wir, dass das ein würdiger Zielort sei und nahmen den Bus zurück nach Guadalajara. Gut, dass ich ihm vor der Abfahrt die langen Jeans noch ausreden konnte…
Bei einem so langen Aufenthalt verbrachte ich natürlich auch einige Zeit in der Küche. Den Mixer für meine Erdbeer-Joghurt-Milch-Shakes werde ich wohl vermissen. Es war auch interessant, zu sehen, was andere so brutzelten. Dafür musste ich dann auch mal andere Gäste darauf hinweisen, dass eine Gemeinschaftsküche innert nützlicher Zeit aufgeräumt werden müsse und fünf Stunden keine nützliche Zeit sei – da interessiert es auch nicht wirklich jemanden, wenn die halt lieber erst noch ein paar Videos schauen oder ausgehen wollen. Eine besondere Herausforderung waren die Lebkuchen. Schon ein paar 100g abzumessen, ist ohne Waage nicht einfach. Bei einigen wenigen Gramm an Gewürzen wird’s aber beinahe unmöglich. Das Resultat sah dann aber doch toll aus uns schmeckte auch ganz ordentlich. James liess sich sogar anstecken und verzierte ein Herz für seinen Schatz.
Nun war es an der Zeit, wieder mal die Weiterreise vorzubereiten. Als letztes Ausflugsziel wählten wir am 1. Mai die Guachimontones. Wir vereinbart war ich um 08.15 bei der Busstation – und um ca. 09.30 war unsere Gruppe mit Panda, Sami und Aida komplett! Nach einer gut zweistündigen Busfahrt erreichten wir gegen Mittag dann Teuchitlán, von wo wir die 2-3km zum Eingang marschierten. Erst besuchten wir ein Museum und dann standen wir endlich vor den Guachimontones. Die sind eine Art Pyramiden. Obwohl auch die weitverbreiteten Ballsportplätze nicht fehlen, sind die Formen doch speziell und auch ziemlich einzigartig: runde Stufenpyramiden, die eigentlich eher aussehen, als wären sie aus Erde errichtet. Da sie nach den vielen Jahrhunderten aber immer noch nicht weggespült wurden, dürfte wohl auch ein Unterbau aus Steinen vorhanden sein. Im Gegensatz zu den berühmteren Anlagen wie Chichén Itzá oder Tulúm fehlen hier bildhauerische Meisterwerke. Für mich war die Anlage aber unbedingt empfehlenswert. In der brütenden Hitze machten wir uns dann auf den Rückweg ins Dorf. Wehmütig schauten wir auf den Wegweiser zum Bad. Leider war ich der einzige, der mit der Badehose als Shorts unterwegs war. Dafür erfrischten wir uns in einem Restaurant, das prähispanische Getränke versprach. Ich gönnte mir ein Mayaguamiel mit Ananas und Kokosraspeln. Zwar weiss ich nicht genau, was es war, lecker war es aber doch. Nur so unglaublich süss, dass ich es einige Male mit Wasser panschen musste. Weiter ging es zum nächsten Ort mit ein paar Tischen und Stühlen. Wir kamen ganz schnell mit den anderen dort ins Gespräch, vor allem mit Pedro. Neben ein paar Bier und irgendeinem komischen und nicht sehr leckeren Essen, zeigten sie uns auch noch eine (zumindest angeblich) originale Figur von den Ausgrabungen. Naja, mindestens einer arbeitete für die Gemeinde, vielleicht war ja was dran. Beim bezahlen wollten sie erst gar nichts, später einfach 30 Pesos für die erste von drei oder vier grossen Flaschen – damit wir wieder mal kämen. Auf den letzten Drücker erreichten wir schliesslich noch den Bus zurück nach Guadalajara.
Bereits am Freitagabend begannen Hughes und ich das Abschieds-Grillfest vom Samstagabend vorzubereiten. Selbstgemachte Hamburger mit Käse und Kartoffelsalat, am Samstag folgten noch Hörnlisalat, Guacamole und natürlich auch dem hier üblichen Rindfleisch, das noch ein bisschen in einer Marinade baden durfte. Die Stunden vergingen bei essen und trinken, Uno und Billard wie im Flug und nachts liessen wir den Tag bei einem Drink im Internacional ausklingen.
Sonntags wollte ich eingentlich packen. Stattdessen ging ich mit Panda und zwei ihrer Cousins zu Octavios Geburtstagsparty, wo ich auch wieder auf Sami traf oder auf Rodrigo und Liz, die ich bei der Facebook-Party kennengelernt hatte. Auf dem Heimweg passierten uns mehrere Löschfahrzeuge. Später hörte ich, dass der traditionellste von Guadalajaras Märkten, der Mercado Corona, nahe der Kathedrale niedergebrannt war. Zum Glück brach das Feuer an einem späten Sonntagabend und nicht im vollen Markt aus.
Nun fehlten noch die letzten Vorbereitungen. Panda wollte mich zu Best Buy begleiten, weshalb ich den Bus zu ihrem Büro nahm. Leider bemerkte ich erst spät, dass ich bereits viel zu weit gefahren war. Nach einigen SMS und einem Anruf verabredeten wir uns schliesslich direkt bei der Plaza Galerías. Man muss ja auch unbedingt im Zickzackkurs durch die Strassen und Gassen fahren. Mit dem Velo wäre ich wohl einfach entgegen der Fahrtrichtung (oder eine Strasse weiter korrekt) der Avenida Hidalgo entlang gefahren. Apropos Verkehrsverhalten… Ich habe in den letzten Monaten teilweise von den Diskussionen und Streitereien zwischen Fussgängern, Velo- und Autofahrern gelesen. Also hier ist das ein bisschen anders. Nach dem Weg gefragt, hat mich schon die Polizei von der falschen Richtung in eine Einbahnstrasse geschickt. Dann drängelte sich vor ein paar Tagen ein Polizei-Pickup an einem an einer Ampel wartenden Motorrad vorbei und fuhr bei Rot über die Kreuzung. Für Fussgänger und Radfahrer sind die Regeln sowieso anders. Es gibt quasi Hellgrün, Grün, und Dunkelgrün. Grundsätzlich gilt: Wenn die zu erwartende akute Gesundheitsentwicklung nicht negativ ist, ist die Ampel Grün! Die Autofahrer drücken gern mal auf’s Gas, sparen dann dafür aber umweltbewusst den Strom für die Blinker. Umgekehrt ist es bei Einsatzfahrzeugen. Deren Lichter leuchten immer – allerdings haben die ja auch tollere Farben.
Nun war ich wirklich beinahe bereit. Am Montagabend und Dienstagvormittag Wäsche waschen, Fotos hochladen, Velolampe laden. Dann noch ein paar E-Mails und Anrufe und schon war es Zeit für’s letzte Abendessen. Zuvor verspeiste ich als letzes Frühstück aber noch eine Guadalajara-typische Torta ahogada – und im Gegensatz zu Argentinien oder Chile ist eine Torta nicht süss sondern ein knuspriges mit Fleischstückchen gefülltes Brötchen, das mit einer Tomatensauce und auf Wunsch einer nicht mitteleuropäertauglichen Chilisause übergossen wird. Mexikotypisch werden dann noch selbst Radieschen, Zwiebeln usw. dazugegeben.