Guadalajara II (11.01.2014 – 25.01.2014)

Wieder zurück in Guadalajara kehrte wieder sowas wie “Alltag” ein. Als erstes wollte ich meine Wäsche waschen. Da es im Gegensatz zu meinem ersten Monat hier nun regnerisch war, wollte ich eine Wäscherei mit Trockner suchen: bis zur nächsten Kreuzung und dann einen halben Block auf der rechten Seite. Ich fand die Wäscherei weder “rechts und noch einen halber Block” noch “einen halben Block geradeaus und dann auf der rechten Seite”. Nach unzähligem Nachfragen wurde ich ca. 8-9 Blocks vom Hostel in die andere Richtung dann doch noch fündig. Samstanachmittag 14.00 – bis am Montagvormittag seien sie fertig. Da ich sämtliche Kleider mit mir trug (entweder auf mir oder im Wäschebeutel), kam das natürlich nicht in Frage. So war ich dann nach gut zwei Stunden in der Umgebung wieder im Hostel – mit zwar immer noch ungewaschener Wäsche, dafür aber mit der Spezialität Guadalajaras, zwei Tortas ahogadas. Das sind knusprige Brötchen, die der Länge nach aufgeschnitten, mit unterschiedlichen Fleischsorten gefüllt und mit einer süsslichen Sauce übergossen wird. Dazu kommen dann die üblichen Beilagen wie (eingelegte) Zwiebeln, Radieschen, Limonen (also besser nur der Saft!) usw. Gewaschen habe ich dann schliesslich mit einem Tag Verspätung doch im Hostel – und gerade noch rechtzeitig vor den ersten dicken Regentropfen nahm ich die beinahe trockene Wäsche rein und verwandelte den obersten Schlafsaal in ein Trockenzimmer.

Am Montagmorgen traf ich beim Frühstück Lennart aus Hamburg. Er hatte für einige Monate im kolumbianischen Cartagena an der Karibikküste ein Austauschsemester absolviert – bzw. eine ruhige Kugel geschoben. Nun stand er kurz vor der Rückreise von San Francisco nach Hamburg. Gemeinsam mit James machten wir einen Spaziergang ins Zentrum. Zurück im Hostel wollten dann Hannes und Per aus Göteborg was essen gehen. Während Lennart telefonieren wollte, gingen James und ich mit. Wir wurden gleich mit “Bier und Wein: 2 für 1” begrüsst. Die anderen drei wollten sich das nicht entgehen lassen und bestellten entsprechend. Bei der Abrechnung waren dann zwei Flaschen für je MXN 32 statt zusammen MXN 28 auf der Rechnung. Nachgefragt meinten sie, diese Sorte sei halt von der Aktion nicht betroffen – interessanterweise hatten sie aber trotzdem bei nur einer Bestellung zwei Flaschen gebracht! Sie wollten die Rechnung nicht korrigieren, wir aber auch nicht zuviel bezahlen. So verrechneten wir den Mehrpreis einfach mit den üblichen 10% Trinkgeld – vielleicht waren wir danach nicht mehr die meistgeliebten Gäste 😉 Ein paar Tage später wollte Lennart dann auch in dieses Restaurant und auch diesmal dasselbe. Allerdings fragte ich diesmal nach, ob diese Sorte auch Bestandteil der Aktion sei. Bei mir brachten sie irgendeine Tortilla, die mit Knochen und Fett gefüllt war – und das obwohl sie bei der Bestellung bestätigt hatte, es sei Fleisch!

Dafür wurde ich am Dienstagmittag von Omar (der, der mit seinen Freunden eine Europa-Radtour plant) zu Carne en su jugo (Fleisch in seinem Saft) eingeladen, wo wir dann viel über meine Erfahrungen und Empfehlungen plauderten. Zuvor hatte ich Hosteleigentümer Alex zum Einkauf begleitet. die letzten Nächte waren saukalt und wie bereits erwähnt kennt man in Lateinamerika Isolation allerhöchstens vom Hörensagen. Wir wollten also eine Ladung wärmerer Decken besorgen und standen um 09.00 am Markt – vor verschlossenen Türen! Alle Läden öffneten erst um 10.00, was Mexikaner Alex zu einer Tirade über allgemeine lateinamerikanische Arbeitsmoral und den Grund für mangelnden Wohlstand veranlasste 😉 Schliesslich ergatterten wir die 18 Decken dann doch noch zu einem Preis, für den wir in der Schweiz die Decken allenfalls mal 10 Minuten anschauen dürften.

Als nächstes nervte er sich, dass er für die Bewilligung seines zweiten Hostels wegen der Umnutzung von einem Privat- in ein Businessgebäude beinahe MXN 50’000 (ca. CHF 3’500) bezahlen musste und sich die jährliche Gebühr für sein erstes Hostel von ca. MXN 1’300 (2013) auf ca. MXN 2’700 (2014) mehr als verdoppelte, ohne dass dafür irgendein Mehrwert geboten würde.

Dann war es endlich soweit und ich konnte mit meinem abgebrochenen Zahn zu einer mit Alex befreundeten Zahnärztin gehen. Vermutlich waren es dann zuviele Zwischenstationen. Jedendalls meinte sie nach ein paar Minuten, ich bräuchte ein Krone, was mir schon vorher klar war. Nun sollte ich eine Woche später am Donnerstag wieder kommen. Um Manuel, den ich vom Fitnesscenter kenne, in Playa del Carmen zu besuchen, war es dann natürlich auch zu weit und ich buchte einen Flug für den nachfolgenden Freitag. Bei meiner bisher einzigen Krone wurde bei der ersten Sitzung ein Provisorium angefertigt, von diesem ein Abdruck genommen und bei der zweiten Sitzung die bestellte Krone ein gesetzt. Mit dem nächsten Kurzurlaub wollte ich die Wartezeit überbrücken. Als ich dann aber eine Woche später wieder auftauchte meinte die jetzt zuständige Zahnärztin, es bräuchte eine Schraube, um die Krone zu halten und total seien 5-6 Sitzungen notwendig – eine pro Woche! Nach der Rückkehr nochmals 5-6 Wochen in Guadalajara zu warten war mir dann doch zuviel. Ich vereinbarte bei einem anderen Zahnarzt einen Termin für Freitagmittag – vielleicht könnten sie es ja in weniger Sitzungen erledigen. Schlussendlich füllte er das durch den Abbruch entstandene Loch einfach. Ich denke mal, die erste Lösung wäre qualitativ besser gewesen und ohne Zeitdruck hätte ich sie auch bevorzugt.

Nun war zwar mein Zahn wieder in Ordnung, dafür hatte ich aber am Donnerstag meinen Freitagsflug verschieben müssen, bzw. wollen. Das Gebrabbel der Telefonansage verstand ich nicht, also meldete ich mich für den Online-Chat mit der Fluggesellschaft an. Nach einer geschlagenen Stunde mit dem Hinweis, es würde sich jeden Moment jemand melden, schrieb ich eine E-Mail, was ich tun könne, um den Flug zu verschieben, das neue Datum wisse ich aber noch nicht. Am Freitagmorgen rief dann schliesslich Alex an. Nach einer Weile hatte er sich durchgekämpft. Die Mitarbeiterin meinte aber nur, jetzt sei es zu spät und den Online-Chat solle man nicht benutzen! Schliesslich buchte ich dann einen neuen Flug für ca. CHF 90 am Sonntag.

Nun aber nochmals ein bisschen zurück in der Zeit. Nach dem ersten Zahnarztbesuch am Mittwochnachmittag besuchte ich mit Lennart, Hannes, Per, Alex und zwei seiner Kumpels ein Cup-Spiel zwischen zwei Teams aus Guadalajara: Chivas aus der ersten und Leones Negros aus der zweiten Liga. Wir Ausländer mussten uns das Spiel aber erst verdienen und eine gute Stunde auf der Ladefläche des Pickups aushalten. Per meinte dann, wenn uns nun irgendwelche andere Europäer oder Gringos sähen, würden die sicher meinen, sie hätten ja schon immer gewusst, wie die “Mexikaner” reisen 😉 Schliesslich erreichten wir das Stadion gerade noch rechtzeitig, um kurz vor der Halbzeitpause den Elfmetertreffer zum 1:0 für die favorisierten Chivas zu sehen. Mir war von der schlechten Luft im Stau etwas übel und drum wollte ich kurz vor unseren Plätzen was zum trinken kaufen. Anscheinend suchten die anderen sechs dann andere Plätze und gingen zurück, ohne mir was zu sagen. Nun, ich konnte das beherzte Auftreten und den verdienten Ausgleich des Underdogs auch sonst geniessen und nach dem Spiel fanden wir uns auch wieder. Die sechs hätten erst nach Spielschluss bemerkt, dass einer fehle!? Auf dem Rückweg ging’s dann flotter und nach dem obligatorischen Tacostopp kamen wir zurück ins Hostel.

Dann besuchte ich mit Lennart das Museum in Guadalajara, bevor er am nächsten Tag nach Tijuana und dann weiter nach Kalifornien reiste. Die Informationen waren nicht so schön übersichtlich dargestellt wie in der Hauptstadt. Dafür fanden wir Indizien, dass die alten Eidgenossen mal ein paar Hellebarden für dei Mexikaner erübrigen konnte.

Lennart reiste dann ab, dafür traf Jacob im Hostel ein. Er möchte sich mal für ein Weilchen in Guadalajara niederlassen. Speziell ist dabei, wie er das dafür notwendige Geld gespart hat. In Eugene (Oregon) suchte er sich einen Job und um möglichst wenig Geld auszugeben wurde er freiwillig zum Obdachlosen, was heisst, dass er mit seinem Zelt in den Wald vor der Stadt gezogen ist. Dabei hat er dieses jeden Tag abgebaut und mit zur Arbeit genommen. Was passiert, wenn man es stehen lässt, musste er selber einmal erfahren, als er zurückkehrte und das Zelt nicht mehr dastand – vermutlich von der Stadt weggeräumt.

In der Nacht von Samstag auf Sonntag telefonierte ich mit Fabian, der seinen 5. Geburtstag feierte. Er war über das Cars-Spiel für die Playstation ganz aus dem Häuschen, bedankte sich überschwenglich und meinte, es sei uuuuhhhh cool, aber er hätte halt noch nicht so lange spielen können – es war ja auch erst 08.00 bei ihm zuhause und er hatte es eben erst ausgepackt 😉

In der zweiten Woche verbrachte ich dann viel Zeit an meinem Chromebook, um die Costa Rica-Berichte und viele E-Mails zu schreiben. Daneben durften auch Basketball und Billard nicht zu kurz kommen. Beim Pool-Billard lief es für mich eindeutig besser, schliesslich kann man da im Gegensatz zum Basketball auch gewinnen, wenn man nicht verliert und der Gegner die Schwarze zu früh oder in die falsche Tasche versenkt – und sowohl Jacob als auch Alex waren echt gut darin 😉

Alex half ich dafür dann zweimal, ein paar Wände in seinem neuen Hostel zu streichen. Wir führten dann Diskussionen darüber, ob die Wände ein-, zwei- oder gar dreimal gestrichen werden müssten, wobei ich natürlich meinte, bei den von mir gemalten Wänden würde einmal locker reichen 😉 Nach der zweiten Runde am Samstag wurden wir uns dann einig: Grau (beim ersten Mal zu dünn angemischt) und lila (beim ersten Mal etwas lasch gepinselt) brauchten noch einen dritten Anstrich, während bei den türkisen Wänden zweimal reichte – für ein drittes Mal reichte die Farbe nämlich ohnehin nicht mehr. Neben dem zweiten Hostel überlegt er auch, in der Hauptstadt was zu eröffnen. Dann könnte er das Geld (bzw. die weniger ambitionierten Mexikaner!) für sich arbeiten lassen und zwischendurch auf Reisen gehen 😉 Zuerst möchte er aber ein paar Semester in Lyon studieren – und auch da würde ein regelmässiges Einkommen nicht schaden.

So gingen zwei weitere Wochen in Guadalajara ziemlich schnell vorbei. Langsam spüre ich aber, dass ich mich mal wieder auf’s Fahrrad schwingen möchte. Insbesondere die Bewegung fehlt mir – und schliesslich habe ich jetzt ja “nur” noch ein knappes halbes Jahr 😉